Teilprojektskizze Seeber


Ökonomische Kompetenzen und Gerechtigkeitsurteile bei Schülern

Problemstellung

Ökonomische ‚Illiteratheit' kann zu Verzerrungen der öffentlichen Meinung im politökonomischen Bereich führen. Verschiedene Studien zeigen - in allerdings nur summativer Weise -, dass sich mit dem ökonomischem Wissen und den ökonomischen Kompetenzen die Urteile und die Urteilsfähigkeit hinsichtlich der normativen Implikationen der Marktwirtschaft verändern. Eine Wirkrichtung zeigt sich hier allerdings nur vom Wissen zur normativen Einstellung. Hieraus ergeben sich zwei wirtschaftsdidaktisch relevante Problemstellungen:

a) Welcher systematische Zusammenhang besteht zwischen der Entwicklung ökonomiespezifischen Faktenwissens und des entsprechenden impliziten Strukturverständnisses einerseits sowie den normativen Haltungen und Urteilsstrukturen in Hinsicht auf die (soziale) Marktwirtschaft andererseits? Wie beeinflussen ökonomisches Wissen und ökonomische Kompetenzen also die Bewertung von Marktverhalten und Marktprozessen?

b) Wie kann man Wissens- und Kompetenzdefiziten didaktisch begegnen und sachgerechte Urteile fördern? Welche strukturellen und welche inhaltlichen Interventionsmöglichkeiten im Bereich der ökonomischen Bildung gibt es?

Hypothesen

Schülerleistungen - aber auch die Leistungen von Erwachsenen - werden in Auswertungen der Tests zur ökonomischen Bildung häufig als defizitär bezeichnet. Genau besehen, mangelt es aber an einer systematischen Klärung der betreffenden Strukturentwicklung. Vielmehr scheint die pauschalierende Feststellung von Defiziten somit Fehlerwartungen zu verdecken, die auf einem unzureichenden ökonomischen Kompetenzmodell beruhen.

Ad a) Insofern Testergebnisse im Hinblick auf Einstellungen und Kompetenzen eindeutig zwischen ausgebildeten Ökonomen und Laien pergieren und von der formalen Bildungsbiographie abhängig sind, gehen wir davon aus, dass die für das Gesamtprojekt relevanten Fragestellungen ein hohes Maß an spezifischen (abstraktionsorientierten) Bildungsanstrengungen erfordern. Dies betrifft zum einen die Integration verschiedener relevanter Dimensionen in die Analyse wirtschaftlichen Handelns, d. h. die Struktur- und Kapazitätsentwicklung von an Erfahrungen anschließendem ökonomischem Denken (z. B. kann die Analyse verschiedener Kostenarten die Berücksichtigung normativer Ansprüche bei der Bewertung von Handelsspannen beeinflussen). Zum anderen geht es aber vor allem um die Entwicklung eines abstrakten Verständnisses der sozialen Koordinationsprozesse, d. h. die Strukturentwicklung ökonomischen Verständnisses im Anschluss an theoretische Perspektiven (z. B führt die ‚Systemisierung' von Verteilungsfragen durch die Berücksichtigung entsprechender Produktionsanreize zu anderen Urteilen).

Ad b) Eine altersadäquate Förderung ökonomischer Kompetenzen hat diese Differenzierung in agentive und reflexive Anschlüsse zu berücksichtigen. Einerseits muss es etwa darum gehen die komplexen Entscheidungsprozesse inpiduellen wirtschaftlichen Handelns transparent und damit auch ihre (kontext-spezifische) Legitimität einsichtig zu machen (u. a. durch die Einbindung praktischer Erfahrungen). Andererseits gilt es die funktionale Divergenz sozialer Ordnungsformen und ihrer normativen Implikationen zu vermitteln (und dies curricular angemessen zu verorten).

Vorgehen

Mit Blick auf die bestehenden Bildungsstandards, Lehrpläne etc. und aufbauend auf die bestehenden Messinstrumente für ökonomische Kompetenzen sollen die für die Fragestellung relevanten Kompetenzen, deren Entwicklung in verschiedenen Klassenstufen sowie deren Auswirkungen auf die Einstellung zu Marktwirtschaft untersucht werden. Hierzu sollen eigene empirische Untersuchungen durchgeführt werden. Neben den üblichen sozio-ökonomischen Größen ergeben sich als Messdimensionen: ökonomisches Wissen und Kompetenzen, Einstellungen zur Marktwirtschaft und einzelnen Teilphänomenen, Beschulung (inklusive bestimmter Interventionen, wie z. B. Schülerfirmen etc.)

Zur Validierung der Arbeitshypothesen wird aus den Daten ein ökonomisches Kompetenz- bzw. Urteilsmodell generiert, das die Entwicklung der agentiven und systemischen Perspektiven auf die Marktwirtschaft abbildet und Korrelationen zum normativen Bereich ausweist (z. B Bewertung der Regeln oder Resultate).

Auf dieser Basis sollen dann altersadäquate Kompetenzstandards sowie kompetenzorientierte Aufgabenformulierungen für den schulischen Einsatz konzipiert werden, die die Formung sachgerechter normativer Urteile bei den Lernenden fördern.