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Zeit in Physik und Philosophie

 
Zeit in Physik und Philosophie
 
Johanna Sprondel, M.A., Maren Wehrle, M.A.,
Prof. Dr. Andreas Buchleitner (Quantum Optics and Statistics,
Physikalisches Institut der Universität Freiburg),
Katholische Akademie der Erzdiözese Freiburg
 
 
Intention
Ausgangspunkt der Veranstaltung ist die Beobachtung, dass der Themenkomplex Zeit in Physik und Philosophie seit jeher thematisiert, problematisiert und diskutiert wird, wobei sich teilweise zentrale Gemeinsamkeiten, teilweise jedoch auch eminente Differenzen in den Ausgangsfragen und -annahmen ausmachen lassen. In dem Projekt Zeit in Physik und Philosophie wird Zeit unter Hinzunahme der Ansätze aus Philosophie und Physik reflektiert, wobei wissenschafts-geschichtliche Aspekte eine zentrale Rolle spielen, um Gemeinsamkeiten und Abweichungen zu bestimmen.
Die Studierenden beider Fachrichtungen sollen dazu angeregt werden, das eigene Fach in einem breiten Horizont zu reflektieren, und die Gelegenheit haben, Erfahrungen mit interdisziplinären Ansätzen jenseits der eigenen Fakultät zu machen. Eine entsprechende Lehrveranstaltung richtet sich an Studierende im Grundstudium und B.A.-Studierende.
 
Inhaltliche Aspekte
Die Disziplinen eint scheinbar auch heute noch die – lange schon zum philosophischen Topos geronnene – Frage nach dem Wesen der Zeit, wie sie sich in ihrem locus classicus, dem ontologisch paradoxalen Rätsel bei Augustinus in der berühmten Antwort auf die Frage "Quid est enim tempus?", anzeigt: "Wenn niemand mich danach fragt, weiß ich es; wenn ich es einem Fragenden erklären will, weiß ich es nicht." (Augustinus, Conf. XI. 17). In ihr ergibt sich das Bild einer aporetischen Struktur, die das Nebeneinander von alltäglichem Wissen und reflexivem Nichtwissen verdeutlicht.
Während Zeit in der Physik vom deistischen Ansatz eines Uhrmachergottes über den Newtonschen Determinismus hin zu nichtlinearer Dynamik und Quantenmechanik eine systematische Weiterentwicklung erfahren hat, kann es in der Philosophie keine systematischen Anachronismen geben. Platons Gedanken zur Zeit im Timaios, die Aristotelische Bestimmung des nun in der Physik, Plotins Gedanke einer Bewegung der Seele als Medium der Zeitmessung, der sich dann auch bei Augustinus wiederfindet, Husserls Überlegungen zu Protention und Retention; sie alle verweisen auf das, was Heidegger in Sein und Zeit über die Frage des In-der-Welt-Seins zu fassen versucht: Der Frage nach der Zeit kann man sich nur über die Frage des Lebens(weltlichen) annähern. Auch die Einsteinsche Relativitätstheorie macht das problem-orientierte Fragen nach Zeit nicht obsolet, sondern lässt uns mit denselben Dilemmata zurück, wie Ernst Cassirer festhielt. Denn auch wenn Zeit Qualifizierbarkeitskriterien stiftet – so zum Beispiel, wenn man sie als Parameter bestimmt –, ist sie doch selbst nicht qualifizierbar und bleibt ohne physikalische Eigenbedeutung. Ein Problem, das sich zum Beispiel in Fragen wie der nach der Irreversibilität von Zeit offenbart.
Die Veranstaltung wählt daher den Ansatz, sich Zeit als physikalischem und zugleich lebensweltlichem Phänomen zu nähern, wobei die Fragen an die Zeit hier – und damit setzt sich die Ausrichtung von den gängigen Ansaätzen der Philosophy of Science ab – in alltäglichen Phänomenen gefunden werden sollen, um ihnen dann mit Lösungsansätzen interdisziplinär zu begegnen. 
 
Aufbau und didaktischer Ansatz der Veranstaltung
Die Veranstaltung startet im Sommersemester 2011 mit regelmäßigen Lesegruppen in der Philosophie und einem StudentInnenseminar in der Physik, die als Vorbereitungs-veranstaltungen zum eigentlichen Seminar gefasst werden. Diese Veranstaltungen finden in den jeweiligen Disziplinen statt und werden von den Dozenten geleitet. Sie dienen der Einführung in das Thema. Ziel der Veranstaltungen ist es, den Studierenden ein Grundwissen zum Thema Zeit in ihrem Fach zu vermitteln, so dass eine Grundlage gelegt ist für das folgende Semester.
Im Wintersemester 2010/11 wird dann in der Form des Cross-Teaching unterrichtet: Während Prof. Dr. Andreas Buchleitner mit Studierenden der Philosophie Grundfragen der Zeit aus Sicht des Physikers diskutiert, geschieht dies unter der Leitung von Maren Wehrle (M.A.) für Studierende der Physik. Geplant sind wöchentliche Sitzungen bis zur Weihnachtspause und eine abschließende Blockveranstaltung vom 19. bis zum 23. Januar 2011, die außerhalb Freiburgs stattfinden wird. Auf dieser Blockveranstaltung soll dann gemeinsam das Thema Zeit diskutiert werden. Parallelen, Differenzen und Ansätze zu Lösungen etwaiger Probleme im Verständnis zwischen den Disziplinen sollen hier fruchtbar gemacht werden.
Mit dem Ansatz des Cross-Teaching wird didaktisches Neuland betreten. Versteht man unter diesem Begriff zum einen den Austausch von Lehrenden verschiedener Universitäten, so impliziert er andererseits auch den Austausch von Lehrenden verschiedener Fakultäten. Dies ist in diesem Projekt der Fall. Interdisziplinäre Seminare werden gemeinhin in ausschließlich gemeinsamen Sitzungen angeboten. Dies führt neben den bekannten Synergien leider häufig auch zu "Lagerbildungen" innerhalb der Gruppe der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Häufig äußern sich Studierende des jeweiligen Faches zu Fragen, die aus ihrem Fach heraus gestellt werden – die andere Disziplin wird dem jeweils anderen "Expertenlager" überlassen. Dem wollen wir mit einem Austausch der Lehrenden und getrennten Veranstaltungen entgegen-wirken.
Im Rahmen der an das Cross-Teaching anschließenden ausführlichen Blockveranstaltung soll dann interdisziplinäres Arbeiten und Diskutieren untereinander gefördert werden, jedoch auf der Grundlage der bis dahin erarbeiteten Kenntnisse des jeweils anderen Faches, so dass einem Zerfallen in "Expertenlager" so gut wie möglich entgegengewirkt werden kann.
Den Abschluss der Veranstaltung bildet eine Vortragsreihe, die das Husserl-Archiv, das Physikalische Institut der Universität Freiburg und die Katholische Akademie der Erzdiözese Freiburg gemeinsam veranstalten. Zu dieser Vortragsreihe sollen Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Disziplinen (Theologie, Biologie, Philologien, Wissenschaftsgeschichte, Psychologie, Medizin u.a.) eingeladen werden, um Ihre Perspektiven und Positionen auf das und zum Thema Zeit darzustellen. Diese Reihe soll das Bild nicht nur abrunden, sondern auch die beteiligten Studierenden dazu einladen, ihre Fragen und Überlegungen an andere Disziplinen heranzutragen und so weiterzudenken. 
 
   
 




 

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